Welche Rolle spielen die Eltern?

Bei erwachsenen Schülern natürlich nicht relevant, aber bei Kids und Teenies durchaus: Welche Rolle haben eigentlich die Eltern bei der Geschichte?
Wahrscheinlich gibt es keinen pädagogischen Aspekt, bei dem nicht der Satz kommt „ah, ein heikles Thema“… nun – es ist doch so: Wo und wieviel Eltern sich einmischen sollen oder dürfen ist in jeder Hinsicht und für alle Beteiligten eine heikle Sache. Darf ich überhaupt darüber schreiben?

Als ein Stück des Großen Ganzen, das sich aus Schüler, Eltern und Lehrer zusammensetzt, schon. Zwinkernd 

Auch wenn dies nicht als Nachhilfe in Sachen Erziehung oder gar als Vorschriften verstanden werden soll, soll dieser Artikel lediglich zum Nachdenken anregen und im Zweifel die ein oder andere Hilfestellung bieten!

 

Was tun Eltern im Allgemeinen?

1. In der Regel finanzieren sie den Unterricht
2. Meistens suchen sie den Lehrer aus
3. Sie organisieren Ort und Zeit des Unterrichtes und die Wege
4. Eltern sind von Zeit zu Zeit während des Unterrichts anwesend
5. Sie bekommen mit, wie zu Hause geübt wird
6. Natürlich sind sie bei Veranstaltungen und Vorspielen dabei
7. Sie verbinden Vorstellungen und Wünsche mit dem Musikunterricht ihrer Kinder
8. Im besten Fall sagen sie bei Krankheit / Fernbleiben zeitig den Unterricht ab (Leider ist diese Gattung im Zeitalter von mobiler Kommunikation und Internet vom Aussterben bedroht!)

Man muss diese Punkte nicht näher ausführen, dennoch möchte Ich ein paar Worte dazu verlieren:

Wenn die Eltern bezahlen können, und dies gerne tun in dem Sinne, dass ein Kind kein schlechtes Gewissen bekommt, ist das natürlich toll. Wenn sie sich vor der Lehrersuche gründlich informieren ebenfalls. Und die Frage, ob Einzelunterricht oder Gruppe angesagt ist, ist ein weiterer Grund, vorher ein bisschen zu grübeln.

Wenn das Kind zum Unterricht gebracht werden muss, haben hoffentlich Eltern oder Verwandte Zeit dafür. Geht es darum, den Gitarrenschüler rechtzeitig los zu schicken, sieht die Sache etwas komplizierter aus: Zu spät kommen ist natürlich nicht gut, weil es viel Unruhe in die Stunde bringt. Gerade bei jüngeren Kindern ist das zu frühe Erscheinen genauso wenig produktiv: Kinder, die schon 20 Minuten vor der Tür getobt oder sich auf dem Flur gelangweilt haben, können sich in der Stunde nur noch schlecht konzentrieren.

Wer sein Kind zum Unterricht bringt, und dann warten muss, weil sich die Heimfahrt nicht lohnt, sollte eher nicht regelmässig im Unterricht dabei sein. Ich persönlich habe nichts dagegen, wenn gelegentlich mal Eltern hospitieren; besonders am Anfang sehen vier Augen mehr als die zwei des Kindes, aber auf Dauer sollten Schüler und Lehrer ungestört interagieren können – das ist in der Schule auch so, und es ist ein Teil des Ablöseprozesses vom Elternhaus.

Dass die Eltern Vorspiele und andere Veranstaltungen mit dem Kind besuchen, halte ich für sehr wichtig. Nicht nur, weil sie dann die Entwicklung besser verfolgen können und abschätzen können, wie ihr Kind sich im Gefüge macht, sondern weil sie damit dem Kind das Gefühl vermitteln, dass sie das Unternehmen Musikunterricht wichtig finden. Die Dinge, für die Eltern Interesse signalisieren, bewertet ein Kind automatisch höher!

 

Eltern ersetzen den Lehrer zu Hause!

Richtig? Falsch! Man darf die Eltern keinesfalls zu Nachhilfelehrern machen (ältere Geschwister noch viel weniger)! Jeder würde sofort aufhören zu lesen, würde ich etwas anderes schreiben.

Nun bekommen die Eltern das häusliche Üben (oder Nicht-üben) aber ja mit, und sie verhalten sich ständig dazu. Es glaube doch niemand, dass konsequente Nichteinmischung kein Signal aussenden würde. Also: was darf man, was sollte man, was keinesfalls?

Halten wir doch erstmal das Offensichtliche fest: unsere Kinder brauchen uns! Sie brauchen uns beim Reparieren des platten Reifens, bei der Bewertung des blöden Verhaltens eines Freundes, oder wenn das olle Zahnrad nicht von dem Legoauto abgeht. Nach erhaltener Hilfe wollen sie in Ruhe weiterspielen, jedenfalls wenn sie uns nicht für den Schaukel – Anschwung oder als geduldigen Elfmeter-Torhüter brauchen.

Vom Gitarre spielen hat Mama vielleicht keine Ahnung, aber – wie ging noch mal der Ton? Denken Sie jetzt nicht, dass ihr Kind Sie als Lehrer braucht, sondern wie in den vorigen Beispielen als den Menschen, der mehr Kraft hat, der besser lesen, technische Zeichnungen deuten und die Stelle im Buch schneller finden kann, weil er ja schon groß und erfahrener ist. Wenn die Lösung dann gemeinsam gefunden wird, besonders wenn das Kind nach dem Auffinden der Stelle im Buch den Eltern erklären kann, was die merkwürdigen Anweisungen, Fingersätze und Zeichen alle bedeuten, wird das Kind zum Fachmann, und die Großen dürfen staunen! Das wäre eine gelungene Interaktion.

Eventuell können Eltern am Anfang mal ein bisschen helfen, indem sie beim Spielen mit dem Zeigefinger auf die jeweils zu spielende Note zeigen. Kleine Kinder haben oft Schwierigkeiten, die Noten zu verfolgen und auf die vielen anderen Dinge zu achten – man muss ja auch noch anschlagen und greifen. Das ist aber nur eine Starthilfe, die ich auf jeden Fall für erlaubt erkläre, so wie man mit Lernheften auch lesen übt. Wenn der Vorgang mit der Zeit verinnerlicht ist, ist diese Hilfestellung nicht mehr nötig.

 

Die Zeit zum Üben

Wie leicht hat man das Gefühl, das eigene Kind tut zu wenig!

Erstmal sei gesagt: junge Kinder, die wirklich von alleine üben, und das auch noch regelmässig, intensiv und vorbildlich, sind extrem selten! Auch bei musikalischer Begabung muss das durchaus nicht so sein.
Dann sollte man sich immer mal wieder fragen, was man sich eigentlich vorstellt oder wünscht, was bei dem Unterricht herauskommen soll. Das können sehr verschiedene Dinge sein, und Kind und Eltern können verschiedene Ziele erträumen. Ob man sich bei sehr begabten Schülern freut, wenn sie auf Vorspielen brillieren oder denkt „Mensch, ein 1. Preis von ‚Jugend Musiziert‘ wäre jetzt aber auch mal langsam ganz nett!“ sind ja sehr verschiedene Herangehensweisen. Andere Eltern denken vielleicht, dass die Musikzensur in der Schule beeinflusst wird, oder dass musizieren überhaupt Einfluss auf kognitive Fähigkeiten, Sozialverhalten und Benehmen hat. In jedem dieser Szenarien wird der häusliche Übefleiß unterschiedlich bewertet.

Zunächst wäre mit dem Lehrer zu sprechen. Liegt das Kind mit dem Durchschnittstempo an, oder hinkt es hinterher? Hoffen Sie, dass ihr Kind gut mitkommt, überhaupt dabei bleibt, oder warten Sie ungeduldig darauf, dass der Lehrer Sie anspricht? Alles wirkt sich darauf aus, wieviel Sie ins Üben eingreifen.

Ein Beispiel aus dem täglichen Leben:

„Also…. unsere Tochter….  wenn wir sie nicht daran erinnern, dann vergisst sie das Üben völlig.“ – Auf so eine (ziemlich normale) Beobachtung sind mehrere Reaktionen zwischen Schüler und Eltern vorstellbar:

a) Man wartet geduldig und erinnert immer mal wieder zwischendurch. Das birgt die Gefahr, dass die Geduld abnimmt, und man sich mehr und mehr streitet.
b) Man handelt einen regelmässigen Zeitpunkt im Tagesablauf aus. Ob Gitarre üben nach den Hausaufgaben günstig ist, muss man probieren – wenn die Luft raus ist, bringt es wenig, einfach das nächste Pensum dran zu hängen. Mitten am Nachmittag üben müssen, wenn man eigentlich spielen will ist grässlich. Also vielleicht abends nach dem Zähne putzen…
c) Sicher gut wäre, die Übesituation zu analysieren. Im Wohnzimmer, bei Mama, oder im Kinderzimmer alleine – wie ein Kind sich wohlfühlt ist Temperamentsache.
d) Wie gut zugänglich sind Gitarre und Noten? Wenn der Notenständer aufgebaut ist, und die Gitarre nicht umständlich ausgepackt und die Übungshefte hervorgekramt werden müssen, man also jeder Zeit eben schnell mal zwei Minuten dudeln kann, wird meist automatisch mehr geübt!
e) Dinge einmal zu organisieren, einen Gitarrenständer oder einen Halter für Wand oder Regal zu kaufen, das Üben abends zu verabreden, schont die Nerven aller! Trotzdem werden Sie immer mal wieder ermahnen dürfen…
f) Etwas zu tun, was regelmässige Anstrengung erfordert, aber nicht mit der Schulpflicht zusammen hängt, verlangt immer wieder die Entscheidung dafür und gegen die „Konkurrenzunternehmen“ Fernseher, Spielkonsole, Computerspiel. Hier dürfen Eltern Vorbild sein (im eigenen Konsum und der bewussten Entscheidung dagegen) und Grenzen setzen.